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Unterschiede zwischen Tonproduktionen für Video und Audio
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Theorie und Praxis
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Heimwiedergabe
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Die Aufnahme
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Hauptmikrofon oder Polymikrofonie?
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Die Lokalisation und der Aufnahmewinkel
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Überlegungen zum Center-Signal
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Koinzidente Techniken im Vergleich mit reiner Laufzeitstereofonie
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Die Surround-Kanäle
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Kompatibilität
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Surround-Hauptmikrofone
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Literaturverzeichnis
Dieser Aufsatz wurde bisher nur in Englisch veröffentlicht. In ihm spiegelt sich die Sorge, dass Surround für reine Audioproduktionen erfolglos bleiben könnte.
Vorwort
Die Realisierung von Surround-Aufnahmen erfolgt je nach Zielsetzung mit sehr unterschiedlichen Methoden. Wenn die natürlichen Verhältnisse eines Schallfelds wiedergegeben werden sollen, stellt die aufwändige Wellenfeldsynthese das Optimum dar. Mit ihr soll im Wiedergaberaum genau das Schallfeld rekonstruiert werden, das im Original vorlag /1/. Im Gegensatz zu früheren, sehr viel bescheideneren Versuchen mit ähnlichem Ziel, wie insbesondere dem Soundfield-Prinzip (Ambisonics) /2/,/3/, ermöglicht die Wellenfeldsynthese eine gute Rekonstruktion, die sich praktisch über den ganzen Raum ausdehnt. Damit wird das Hörerlebnis unabhängig vom Hörort, es gibt kein „Sweet Spot-Problem“.
Dieser Aufsatz beschäftigt sich hingegen mit der derzeit zumindest im Video-Bereich erfolgreichen 5.1-Technik. Damit sie auch für reine Audioanwendungen interessant wird, gibt es noch einiges zu tun. Darum geht es im Folgenden, ohne den ".1“-Kanal (Tiefton-Effekt-Kanal, =LFE) zu betrachten.
Genau genommen ist "Surround" eine verbesserte Form von Stereo . Wegen der einfacheren Wortwahl folgt dieser Aufsatz aber auch dem allgemeinen Sprachgebrauch und bezeichnet Zweikanal-Stereo einfach als "Stereo" und 5.1- bzw. Mehrkanaltechniken als "Surround".
Unterschiede zwischen Tonproduktionen für Video und Audio
Bei Filmproduktionen erlebt man oft, dass Surround eine Kombination von Mono-Sprachsignalen in der Mitte mit Zweikanal-Stereofonie für die Musik und einigen Effekten in den Surround-Lautsprechern bedeutet. Für reine Audioproduktionen ist dies nur in Ausnahmefällen interessant. Allerdings sollte der Centerkanal auch bei Audio eine so wichtige Rolle spielen, dass er unentbehrlich ist. Wenn man ihn auch weglassen kann, ist es nicht überraschend, wenn die Surround-Wiedergabe keinen nennenswerten Vorteil gegenüber Stereo zeigt. Quadrofonie wurde auch kein Erfolg und dies nicht nur, weil die damaligen Übertragungsverfahren Mängel hatten.
Theorie und Praxis
Aus der Sicht des Endverbrauchers erscheint die Surround-Technik oft sehr anders als dies auf den Kongressen der Profis aussieht /4/. Allen Tonmeistern muss daher empfohlen werden, nicht nur die eigenen Produktionen im Regieraum zu hören, sondern auch das Angebot des Marktes im eigenen Heim zu analysieren. Man lernt dabei sehr viel und wird sich klar, wie groß auch der Einfluss der Wiedergabebedingungen beim Verbraucher ist. Dies gilt es zu berücksichtigen.
Die Heimwiedergabe
Die Hersteller der Geräte für Surround-Wiedergabe haben eine große Mitverantwortung für den Erfolg von Audio-Surround. Langfristig wird die Entwicklung dieser neuen Technik durch falsche Informationen und falsche Beratung gefährdet.
Zur richtigen Beratung gehört, dem Endverbraucher klar zu machen, dass er wenigstens vorne drei gleichwertige (besser: gleiche) gute Lautsprecher benutzt, und dass die Ausgaben dementsprechend höher sein müssen. Die bekannten Surround-Anlagen zum „Schnäppchenpreis“ beeindrucken gelegentlich im Zusammenhang mit Video, aber langfristig führen sie zur Abwertung von Mehrkanalanlagen im Vergleich zu den traditionellen Stereoanlagen. Ebenso ist es irreführend und schädlich, wenn neue Systeme, die mit zwei oder auch nur einem Lautsprecher auskommen wollen, mit 5.1 gleichgesetzt werden. Der Ruf von „Surround“ wird dadurch beschädigt. Selbst wenn es andere, ernst zu nehmende Techniken für „Raumklang“ gäbe, wäre das kein Grund Lügen in die Welt zu setzen, die beim unwissenden Endverbraucher zu Enttäuschungen führen.
Zu den Geräten sollen hier auch noch zwei Anmerkungen für die Hersteller gemacht werden, die sicher jeder Anwender bestätigen kann. Erstens ist es bei reinem Audiobetrieb keine Freude den Fernseher für "On Screen Display" einschalten zu müssen, und zweitens fehlt fast immer ein Balanceregler für vorne/hinten. Theoretisch ist er überflüssig und bedeutet sogar die Gefahr einer falschen Einstellung (für die kalibrierten Pegel ist eine Raststellung ratsam). In der Praxis erkennt man aber schnell, dass sich bedauerlich viele DVD-Hersteller nicht ihrer Verantwortung bewusst sind, die hinteren Signale richtig einzupegeln. Mal hört man hinten fast nichts und bei der nächsten Gelegenheit viel zu viel.
Kategorien von Surround
Das Ziel | Das Prinzip | mögliche Probleme |
Eindrucksvolle Effekte | "Tools" | Informationsverlust, wenn nicht alle Kanäle genutzt werden |
Sehr kompatibel - etwaiger Kanal-Ausfall stört kaum | Surround- Prozessor (Matrix) | Wenig interessant |
Befriedigung hoher künstlerischer Ansprüche | Polymikrofonie | Geschmacksache |
Natürlicher Klang | Wissenschaftlich basiert + Delays für etwaige Stützmikrofone | Oft mit der Gefahr einer kleinen Hörzone verbunden ("sweet spot") |
Tab.1
Für Surround-Aufnahmen gibt es spezielle Gesichtspunkte, die in Tab. 1 aufgelistet sind.
Die beiden erst genannten Zielsetzungen stellen Gegensätze dar. Eindrucksvolle Effekte lassen sich gut verkaufen. Filme machen davon oft heftigen Gebrauch, aber auch in der Musik arbeitet man gelegentlich damit, sogar schon zu Beginn der Stereofonie, man denke nur an Beatles-Produktionen bei denen die Gitarre im einen Lautsprecher und der Gesang im anderen erklangen (die Gründe dafür waren allerdings eher technischer Natur). So etwas kann Spaß machen und verdeutlicht auch dem Laien, dass er alle Kanäle nutzen muss, wenn ihm nicht wichtige Informationen fehlen sollen.
Es gibt aber Produzenten, die besonders bei 5.1 Sorge haben, dass wenigstens einer der fünf Lautsprecher bei der Wiedergabe fehlen könnte, z.B. weil der Anwender nicht genügend Platz für alle Lautsprecher hat. Um auch diesen Anwendungen zu genügen, werden die Signale meist unterschiedlich bearbeitet (Hall, Verzögerung, EQ etc.) und in alle Kanäle eingespeist. Das Resultat sind zwar 5 Kanäle, aber das Ergebnis kann keine Begeisterung auslösen. Ähnliche Surround-Eindrücke erhält man auch mit Surround-Prozessoren, wie sie in Receivern eingebaut werden um aus normalen Stereo-Signalen 5.1 zu machen. Überzeugende Surround-Aufnahmen müssen besser sein, sonst lohnt sich der Aufwand für neue Aufnahmen und die mehrkanalige Übertragung nicht.
Die beiden letzten Zielsetzungen in Abb.1 einer künstlerisch hochwertigen Aufnahme und dem oft wissenschaftlich formulierten Anspruch nach natürlichem Klang sind nicht zwangsläufig gegensätzlich. Wer würde denn einen unnatürlichen Klang wünschen und wer will sich mit musikalisch unausgewogenen Produktionen begnügen? Die Kunst des Einstellens nach dem Gehör und die Kenntnis technischer Grundlagen sollten kombiniert werden. Surround ist viel komplexer als Zweikanal-Stereo und erfordert die Nutzung aller Möglichkeiten um insbesondere bei reiner Audiowiedergabe zu überzeugen.
Die Aufnahme
Der richtigen Aufnahme gilt selbstverständlich die größte Aufmerksamkeit aller Tonschaffenden. Dabei spielt das angestrebte Ziel eine entscheidende Rolle. Filmton [5] und auch Video [6] werden ganz anders realisiert als die Aufnahme von Musik, und hier muss wiederum zwischen synthetischen und real existierenden Ereignissen unterschieden werden. Vor allem Konzerte aller Art erwecken den Wunsch, man sollte das natürliche Ereignis einer Veranstaltung ins Wohnzimmer übertragen.
Tonmeister weisen darauf hin, dass das natürliche Hörerlebnis im Konzertsaal oft nicht gut genug sei um in den eigenen vier Wänden, wo uns alle die Rahmenereignisse eines Live-Geschehens fehlen, noch zu befriedigen. Man möchte es also besser machen, was lange Diskussionen zur Ästhetik aufwirft und in die Verantwortlichkeit des kreativ schaffenden Tonmeisters fällt. Die dazu gehörigen Aufnahmemethoden sind komplex und oft künstlerisch begründet. Dieser Aufsatz soll nur die technischen Aspekte beleuchten.
Natürlich gelten für eine gute Aufnahme auch bei einer nüchternen Betrachtungsweise einige Grundregeln. So steht und fällt der Erfolg mit der Qualität von Künstlern und Inhalt. Des Weiteren ist viel gewonnen, wenn der Aufnahmeraum gut ist, und schließlich sollte der Aufnehmende sein Metier verstehen. Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, spielt auch die Qualität der Aufnahme-Geräte und insbesondere der Mikrofone eine wichtige Rolle.
Eine besondere Möglichkeit von Surround-Wiedergaben besteht in der realitätsnahen Verteilung von direktem Schall vorne und Raumanteilen hinten. Da Lokalisation nur durch den direkten Schall erfolgt, kann die Erhöhung seines Anteils zu einer deutlicheren Richtungszuordnung führen.
Für die Mikrofonaufstellung bedeutet dies, dass man die vorderen Mikrofone eher etwas weiter vorne aufstellt, als man es bei einer Stereoaufnahme machen würde.
Hauptmikrofon oder Polymikrofonie?
Die Diskussion der Bedeutung von "Hauptmikrofonen" ist so alt wie die Stereofonie. Die Vor- und Nachteile sind in Tab.2 tabellarisch zusammengefasst.
Wie der Name sagt, sollte das Hauptmikrofon das entscheidende Mikrofon sein. Von der Stereofonie her wissen wir, dass es gute Aufnahmen gibt, die auch tatsächlich mit nur einem Hauptmikrofon gemacht wurden. Sobald aber die musikalische Balance Probleme macht und Stützmikrofone hinzugefügt werden, beginnen die Probleme. Es kommt dabei recht leicht vor, dass die Stützen mehr Pegel liefern als das Hauptmikrofon und außerdem liefern sie das Signal der "ersten Wellenfront" und bestimmen damit die Lokalisation. Um den Sinn des Hauptmikrofons zu erhalten, wird eine Verzögerung der Stützmikrofonsignale empfohlen /7/,/8/.
Vorteil | Nachteil | |
Hauptmikrofon |
Einfach, überträgt das natürliche Schallfeld inklusive Erstreflexionen und Nachhall |
Für jedes Hauptmikrofon muss der geeignete Aufstellungsort ermittelt werden oder umgekehrt das Hauptmikrofon an den Aufstellungsort angepasst werden. Wenig Einfluss auf die musikalische Balance möglich |
Polymikrofonie | Die musikalische Balance kann nach künstlerischen Gesichtspunkten geregelt werden |
Aufwendig, |
Tab. 2
Die bekannten Hauptmikrofone der Stereofonie sind XY, M/S, ORTF, AB, Kugelfläche usw. Für Surround sucht man u.a. auch aus praktischen Gründen nach vergleichbaren Hauptmikrofonen bzw. Hauptmikrofonsystemen. Sie werden am Ende dieses Aufsatzes kurz beschrieben.
(mehr unter:http://www.schoeps.de/de/downloads/catalogues_and_brochures)
Die Lokalisation und der Aufnahmewinkel
Alle Qualitätsparameter, die eine gute Zweikanal-Stereoaufnahme auszeichnen, müssen für Surround auch erfüllt werden, aber vor allem verbesserte Lokalisation und ein erhöhtes Räumlichkeitsgefühl rechtfertigen Mehrkanalaufzeichnungen. Die eindeutige Lokalisation einzelner Schallquellen aus bestimmten Richtungen sollte in einer großen Hörzone möglich sein /9/ und das Räumlichkeitsgefühl soll realistisch sein, so dass man sich vom Schall umhüllt fühlt. Um dies zu beurteilen sollte man nicht nur an einem Ort hören, sondern sich im Raum bewegen. Eine gute Surround-Aufnahme darf nicht nur an einem Ort beeindrucken /10/,/11/.
Im einfachsten Fall basiert die Lokalisation auf einem Hauptmikrofon bzw. Hauptmikrofonsystem bei dem fünf einzelne Mikrofonen verwandt werden. Um damit erfolgreich zu sein ist die Kenntnis der elementaren Gesetzmäßigkeiten der Stereofonie wichtig. Zu den wichtigsten Begriffen zählt der stereofone Aufnahmewinkel, der deshalb hier kurz erläutert wird /12/:
Die Lokalisation basiert auf Unterschieden zwischen den Signalen der Kanäle. XY und M/S nutzen nur Pegelunterschiede, AB im Wesentlichen nur Laufzeitunterschiede und viele andere Verfahren wie z.B. ORTF eine Kombination von beiden Parametern. Die größten Unterschiede ergeben sich für die links und rechts außen liegenden Schallquellen eines Orchesters. Um die Stereobasis zwischen den Lautsprechern auszufüllen, muss Schall aus diesen Richtungen gerade genügend große Unterschiede ergeben, damit er aus Richtung des linken bzw. rechten Lautsprechers lokalisiert wird. Aus dieser Überlegung folgen Regeln für die Geometrie von stereofonen Mikrofonanordnungen /12/,/13/,//14/,/15/ . Der stereofone Aufnahmewinkel eines Stereomikrofons entspricht dem Winkel zwischen den Schalleinfallsrichtungen für die die maximale Links- bzw. Rechts-Lokalisation bei Lautsprecherwiedergabe eintritt (+/-30°). Anders ausgedrückt ist der stereofone Aufnahmewinkel der Winkelbereich des Aufnahmefeldes, der in der Basis zwischen linkem und rechtem Lautsprecher abgebildet wird /13/.
Überlegungen zum Center-Signal
Nur wenn alle Schallquellen innerhalb des Aufnahmewinkels der Mikrofonanordnung liegen, darf man bei der Wiedergabe eine mehr oder minder gleichmäßige Verteilung aller Schallquellen entsprechend der realen Positionen der Instrumente im Orchester zwischen den Lautsprechern erwarten. In diesem Fall macht ein zusätzliches Center-Mikrofon wenig Sinn, es wird sogar stören. Als Vergleich stelle man sich vor, dass ein dreibeiniger Tisch durch ein viertes Bein stabiler gemacht werden soll. Dann müssen wenigstens zwei Beine anders angeordnet werden, wenn ein guter „Vierbeiner“ entstehen soll.
Ebenso sollte ein Stereomikrofon nicht unverändert Ausgangsobjekt für die Übertragung der vorderen drei Kanäle sein. Obwohl das nicht unmöglich ist /16/], müssen wir besser das äußerste an Qualität bzw. Eindruck aus den zusätzlichen Kanälen herausholen um Audio-Surround zum Erfolg werden zu lassen.
Eine Möglichkeit den Center-Kanal für eine deutliche Verbesserung zu nutzen, ergibt sich, wenn der vordere Wiedergabebereich in zwei Hälften aufgeteilt wird: einen linken Stereo-Sektor zwischen dem linken Lautsprecher und dem Center und einem rechten zwischen dem rechten Lautsprecher und dem Center. Mit einer solchen Technik wird es möglich die Hörzone deutlich zu erweitern. Wenn z.B. die direkten Signalanteile der Schallquellen auf der linken Seite nur im linken Wiedergabesektor erscheinen und im rechten Sektor nur diffus übertragen werden, lokalisiert man diese Quellen auch dann noch links, wenn man sich auf der rechten Seite im Wiedergaberaum aufhält. Es liegt kein „Cross-Talk“ vor.
Koinzidente Techniken im Vergleich mit reiner Laufzeitstereofonie
Der richtige Aufnahmewinkel eines Stereomikrofons kann mit sehr verschiedenen Anordnungen der beiden Kapseln realisiert werden. Die Richtwirkung und die Basis (Kapselabstand zueinander) spielen dabei die entscheidenden Rollen. Eine Analyse der Extremfälle zeigt die Wahl, die man zwischen den spezifischen Merkmalen hat, wenn Pegelunterschiede oder Laufzeitunterschiede dominieren. Oft bewähren sich Kombinationen. Diese Verhältnisse lassen sich auf Surround übertragen.
Die Extremfälle lassen sich vereinfacht durch zwei typische Systeme beschreiben: Koinzidenz von zwei eng benachbarten Nieren oder im Abstand zueinander aufgestellte Kugeln (AB).
A. Koinzidenz von zwei Nieren
Nieren können stets als Kombination einer Acht und einer Kugel gleicher Empfindlichkeit verstanden werden, unabhängig davon wie die Niere tatsächlich realisiert ist. Aus diesem Grund übertragen sie 50% des Schallfelds wie zwei Kugeln am gleichen Ort, also mono. Hiermit lässt sich auch die ausgeprägte und stabile Mittenabbildung erklären, die koinzidente Stereo-Mikrofone bei alleinigem Einsatz produzieren. Anders ausgedrückt spricht man auch von der hohen Korrelation zwischen den Signalen, die rein koinzidente Aufnahmen schwach in der Räumlichkeit erscheinen lassen. Mit Supernieren ist dies etwas besser und mit Achten verschwindet der Effekt, besonders wenn sie in einem Winkel von 90° zueinander stehen (Blumlein).
B. Zwei Kugeln in AB-Technik
Bei schrägem Schalleinfall entspricht der Wegunterschied des Schalls zu den beiden Mikrofonen für eine bestimmte Frequenz, deren halber Wellenlänge. In diesem Fall liefern die Kugeln gegenphasige Signale. Für die doppelte Frequenz tritt wieder Gleichphasigkeit auf, für die dreifache wieder Gegenphasigkeit usw.. Letztendlich wird die Hälfte aller höheren Frequenzen gegenphasig übertragen, was eine schlechte Lokalisation und das Empfinden einer künstlichen Räumlichkeit bewirkt ("phasiness", Stanley Lipshitz) /17/. Man erkennt, dass beide Systeme Vor- und Nachteile haben. Scharfe Lokalisation und Räumlichkeitsgefühl sind gegenläufig, der Tonmeister muss sich entscheiden.
Die Surround-Kanäle
Wie schon erwähnt, nutzt es Surround-Darbietungen, wenn die vorderen Kanäle viel direkten Schall übertragen. Besonders gut geht dies in großen Räumen mit entsprechend großem Hallradius. Die hinteren Kanäle sollen dagegen meist keinen Direktschall übertragen, bei Musik wirkt das unnatürlich, es sei denn spezielle Effekte sind erwünscht, wie im Fall von realen Schallquellen hinten.
Übliche Methoden zur Vermeidung einer Überpräsenz der hinteren Kanäle sind die Anwendung von Mikrofonen mit Acht- oder Nierencharakteristik, deren Empfindlichkeitsminima nach vorne ausgerichtet werden. Oft werden diese Mikrofone zusätzlich zum Hauptmikrofon eingesetzt oder von den vorderen Mikrofonen getrennt in einem größeren Abstand aufgestellt. Dort entspricht das Schallfeld mehr dem Eindruck, den man von hinten erwartet und die Signale sind von den vorderen besser dekorreliert. Außerdem nützt eine Absenkung der hohen Frequenzen, wie man sie z.B. auch durch an die Decke gerichtete Freifeldkugeln erzielen kann. Ein Delay für die hinteren Kanäle kann sich ebenfalls als vorteilhaft erweisen, wenn eine genügend entfernte Aufstellung von den vorderen Mikrofonen nicht möglich ist.
Mit der Unterscheidung zwischen vorderen und hinteren Signalen kommt es aber zu der Gefahr, dass der Höreindruck entsprechend in einen vorderen und einen hinteren Bereich zerfällt. Dies ist unerwünscht. Man möchte sich vom Schall „umhüllt“ fühlen. Dafür haben sich Systeme mit vier separat hinten aufgestellten Mikrofonen bewährt, die in den Ecken eines Quadrates stehen. Die beiden hinteren Mikrofone dieser Anordnung liefern dabei unmittelbar die rückwärtigen Surround-Signale und die weiter vorne angeordneten Mikrofone werden vorne links und rechts hinzugemischt bis sich die angestrebte Umhüllung ergibt. Das IRT-Kreuz wurde z.B. so eingesetzt. Besonders bewährt hat sich allerdings das Hamasaki-Square. Dies sind vier Mikrofone mit Acht-Charakteristik, die in den Ecken eines Quadrates von 2 bis 3 m Seitenlänge stehen und seitlich nach links und rechts ausgerichtet sind. Dadurch fällt der direkte Schall des Orchesters in Richtung der Minima der Mikrofone ein und die seitlichen Reflexionen des Raumes werden bevorzugt übertragen. Bei Publikum werden auch dessen Geräusche nicht direkt übertragen, wenn die Mikrofone über den Köpfen angeordnet sind.
Kompatibilität
In diesem Aufsatz werden abschließend einige Surround-Hauptmikrofone aufgelistet. Wie schon bei der zweikanaligen Stereofonie kann man grob zwischen koinzidenten Verfahren und welchen mit Laufzeiten unterscheiden. Die damit verbundenen Merkmale wurden für zwei Kanäle bereits im Abschnitt: „Koinzidente Techniken im Vergleich mit reiner Laufzeitstereofonie“ erklärt. Die Vor- und Nachteile lassen sich auf mehrkanalige Verfahren übertragen.
Die hohe Korrelation zwischen den Signalen koinzidenter Verfahren wird theoretisch gerne als Vorteil gesehen, denn die Mono- und Stereo-Kompatibilität ist problemlos. Der Stereo-Kompatibilität kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil zweikanalige Stereofonie auch in der Zukunft immer als Qualitätsformat benötigt wird. Ein weiterer Vorteil der koinzidenten Verfahren ist ihre kleine Bauform.
Dem steht gegenüber, dass rein koinzident und ohne Zusatzmikrofone gemachte Aufnahmen wenig Räumlichkeitseindruck vermitteln. Bei Aufnahmen, die mit verschiedenen Verfahren gemacht wurden, führt ein Vergleich deshalb praktisch immer zur schlechteren Bewertungen der koinzidenten Aufnahmen. Eindrucksvoll großräumig klingende Aufnahmen basieren meist auf Mikrofonanordnungen mit unhandlichen Abmessungen. Wegen deren Phasenunterschieden ist der Downmix aber leider oft problematisch.
Surround-Hauptmikrofone
Bereits im 15. Aufsatz der „Mikrofonaufsätze“ wurden Hauptmikrofone für Surround gezeigt. Um dies hier nicht zu wiederholen, folgt hier nur eine Auflistung mit Kurzkommentaren. Sehr zu empfehlen sind hier auch die Downloads unter www.schoeps.de/de/downloads/catalogues_and_brochures
Die Titel: OCT Aufnahmetechniken und Surround brochure geben einen schnellen Überblick. Besonders umfassend ist der Bericht von Helmut Wittek:
„Considerations on Stereo and Surround recording, reproduction and perception“ unter www.schoeps.de/de/downloads/papers
Liste:
Ambisonic | Das „Soundfieldmikrofon“ – Praktisch, vielseitig, koinzident |
Decca-Tree | Ursprünglich nicht für Surround gedacht, kann der Decca-Tree auch für Surround eindrucksvoll die vorderen drei Kanäle liefern |
Double MS | Klein und per PlugIn von einer Workstation steuerbar oder auch einfach mit einer Matrixbox umschaltbar auf 4 oder 5 Ausgänge, koinzident |
Holophone | Der Vollständigkeit wegen hier aufgeführt. Liefert zu geringe Unterschiede zwischen den Kanälen. |
INA3 und INA5 |
Großes System mit 3/5 Kanälen, das mit dem Image Assistant |
MMAD |
Multi-Microphone-Array-Design ( http://www.mmad.info ) |
IRT-Kreuz | Dies ist eigentlich nur ein vierkanaliges „Ambience-Mikrofon“, aber es ist natürlich für Surround geeignet, wenn z.B. bei einer Sportübertragung das Mikrofon des Reporters das Center-Signal liefert. |
Surround-Kugelflächenmikrofon | Anders als beim „Holophone“ produzieren zwei angeflanschte Mikrofone mit Acht-Charakteristik durch Matrizierung einstellbar ausgeprägte Richtwirkungen |
OCT | Das „Optimized Cardioid Triangle“ nach Günther Theile liefert für den vorderen Aufnahmebereich eine von anderen Systemen nicht erreichte Trennung zwischen dem linken und rechten Aufnahmesektor von Surround. Kein „Crosstalk“ |
Trinnov |
Große Unterschiede zwischen den Signalen einer Surround- Übertragung sind eindrucksvoll. Mit der Trinnov SRP Surround Recording Platform lassen sich Richtcharakteristika höherer Ordnung produzieren. |
Literaturverzeichnis:
- D. de Vries, M. Boone, Auralization of Sound Fields by Wave Field Synthesis”, preprint 4927, 106th AES Convention ,1999
- Michael Gerzon, “Ambisonics in Multichannel Broadcasting and Video”, Journal of Audio Engineering Society, Vol. 33, No.11
- P. B. Fellgett, Ambisonics – Part One: General System Description, Studio Sound, August 1975
- The Proceedings of the AES 19th International Conference, (a collection of highly interesting papers on surround), June 21-24, 2001
- Tomlinson Holman, 5.1 Surround Sound - Up and Running, ISBN: 0-240-80383-3, Focal Press 2000
- Florian Camerer, ORF, Practical Surround-Sound-Production, The Proceedings of the AES 19th International Conference, Elmau, June 21-24, 2001
- Günther Theile: Natural 5.1 Music Recording Based On Psychoacoustic Principles, The Proceedings of the AES 19th International Conference, Elmau, June 21-24, 2001
- Martin Wöhr, Günther Theile, H.-J. Goeres, A. Persterer: Room-related Balancing Technique: A Method for Optimizing Recording Quality, J. Audio Eng. Soc., vol. 39, no. 9, pp. 623–631, 1991
- R. Rebscher, G. Theile: Enlarging the Listening Area by Increasing the Number of Loudspeakers, 88th AES Convention, Montreux, preprint 2932, 1990
- David Griesinger, The Psychoacoustics of Litening Area, Depth, and Envelopment in Surround Recordings, and their relationship to Microphone Technique, The Proceedings of the AES 19th International Conference, June 21-24, 2001
- David Griesinger, Surround: The Current Technological Situation, 3rd International Multichannel Sound Forum, Paris, 9-10. Nov. 2000
- Michael Williams, AES Publication European Representative: Unified Theory of Microphone Systems for Stereophonic Sound Recording, AES preprint 2466 (H-6), 1987
- Helmut Wittek, IRT Munich, Studies on Main and Room Microphone Optimization, The Proceedings of the AES 19th International Conference, June 21-24, 2001
- Helmut Wittek, www.hauptmikrofon.de, Image Assistant
- Eberhard Sengpiel, www.sengpielaudio.com
- Andreas Gernemann, Stereo+C: An All-purpose Arrangement of Microphones Using Three Frontal Channels, 110th AES Convention, Amsterdam 2001, preprint 5367
- S.P. Lipshitz, University of Waterloo, Ontario, Canada, Stereo Techniques: Are the Purists Wrong?, Audio Eng. Soc., Vol. 34, no. 9, 1986